Zwischenbericht über die Lage
[25.Jun.2024 - 13:42]Zwischenbericht über die Lage in Afghanistan
Verfaßt von der Arbeitsgruppe der PSDP:
Prof. Dr. Qasim Jamder
Dr. Gul Hasan Walizei
Dr. Mohammad Sabir
Bonn, den 01.07.1995
Herausgeber:
Sozialdemokratische Partei der Paschtunen (Pashtoons Social
Democratic Party-PSDP)
C/o Dr. Kabir Stori (Vorsitzender der PSDP)
Richard Str. 5, 50389 Wesseling, Deutschland
Tel: 02236/83463
Nach der Machtergreifung der Kommunisten, insbesondere nach dem Einmarsch der Russen in Afghanistan wurden viele Gräueltaten an der Zivilbevölkerung geübt.
Ca. zwei Millionen Menschen haben in dem grausamen Krieg ihr Leben verloren, hunderttausende wurden verkrüppelt. Viele Menschen wurden zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen.
In dieser Zeit hatte die Abschaffung und Bekämpfung der kommunistischen Regierung höchste Priorität unter den westlichen und anderen demokratischen Staaten der Welt.
Jede Gruppe, die entschieden gegen die kommunistische Regierung kämpfte, konnte schnell die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich ziehen und wurde mit allen Mitteln unterstützt, ohne daß beachtet wurde, welche Gefahren von diesen Gruppierungen, später ausgehen könnten.
Einige fundamentalistische Gruppierungen haben die Gunst der Stunde erkannt und diese Unterstützung für ihre Machtbefestigung und ihre Einflusssphäre ausgenutzt.
Nach dem Sturz der Najibullah-Regierung haben diese Gruppierungen die Macht an sich gerissen und sind mit aller Brutalität gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen, wie die Deutsche Welle am 15.12.94 unter „Amnesty International prangert Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan an berichtet.
„Massenmorde, willkürliche Festnahme, Folter und Vergewaltigungen gehören zum Alltag in Afghanistan" Sämtliche bewaffnete Gruppierungen gehören zu den Übeltätern, wie Amnesty International unter Berufung auf Aussagen von Flüchtlingen in Pakistan feststellt. Die Menschenrechtsverletzungen hätten erschreckende Ausmaße angenommen, aber die Regierungen in der Welt verschlössen vor dieser Tragödie die Augen, schreibt Amnesty in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht.
Auch und vor allem muslimische Staaten, die so nachdrücklich die Menschenrechtsverletzungen in Bosnien anprangerten, täten nichts, um das Morden, Foltern und die Vergewaltigungen zu stoppen.
Seit April 1992 haben mindestens 15.000 Menschen allein in Kabul ihr Leben verloren.
Hunderttausende wurden vertrieben, Tausende sind einfach verschwunden.
Die Gräueltaten beschränkten sich nicht auf Kabul: seit April 1992 sollen Tausende junger Muslimfrauen, Mädchen und Jungen brutal gefoltert und sexuell belästigt worden sein.
Überall und immer wieder wurden unbewaffnete Zivilisten zusammengeschlagen, nur weil sie zu einer anderen ethnischen Gruppe gehörten.
Einige wurden in eine Art Privatgefängnisse gesteckt und dort gequält." Über die Situation der Frauen in Afghanistan berichtet auch Herr Dr. Mustafa Danesch (Spiegelkorrespondent) am 22.5.95 unter „Islamisten und Intellektuelle/ Im zerfallenen
Afghanistan":
„Allein in Kabul wurden Tausende von Mädchen ab neun Jahren, also heiratsfähig nach traditionell - islamischer Lesart, verschleppt...
Sie rechtfertigen diese Gräueltaten mit den Glaubenskriegen der islamischen Frühzeiten, in dem die Gegner getötet, ihr Eigentum - also auch die Frauen unter seinen Getreuen verteilt wurden.
Wegen dieser politischen Verfolgung und der Menschenrechtsverletzungen, sind wie oben erwähnt, viele Afghanen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und Asylanträge in fremden Ländern zu stellen. In der letzten Zeit wurden in der Bundesrepublik Deutschland viele Asylanträge unter anderem abgelehnt, weil es in Afghanistan keine Regierung gibt.
Die asylsuchenden Afghanen wurden gezwungen, die von der afghanischen Botschaft ausgestellten Pässe, zu erhalten, damit die Aufenthaltserlaubnis von den Ausländerämtern erteilt wird.
Wenn in Afghanistan keine Regierung existiert, dann sollte es daher auch keine Verwaltung geben, die dazu berechtigt ist, jemandem die Dokumente des afghanischen Staates auszuhändigen.
Andererseits sieht man, daß einige Afghanen als asylberechtigt anerkannt sind; das bedeutet, daß es doch eine afghanische Regierung gibt, von der die politische Verfolgung ausgehen kann.
Ein anderer Beweis für die Existenz dieser Regierung ist die Tatsache, daß sie in allen internationalen Gremien vertreten ist und diplomatische Aktivitäten mit der Weltgemeinschaft pflegt.
Viele demokratische Länder haben enge Kontakte mit der afghanischen Regierung, darunter hat z.B. die Bundesregierung im März 95 eine höhere Delegation vom Innen- und Bildungsministerium nach Kabul gesandt und Gespräche mit wichtigen Vertretern der Regierung durchgeführt. Außerdem hilft die BRD im Bereich der Polizeiausbildung.
Wenn man davon ausgeht, daß es in Afghanistan keine Regierung gibt, weil ein kleiner Teil des Landes unter ihrer Gewalt steht, dann ist dies falsch, weil es in der Zeit von Najibullah nicht anders war. Die Internationale Presse Agentur hat in der Zeit von Najibullah berichtet, daß nur 20% des Landes von der damaligen Regierung verwaltet wurde, trotzdem wurden die Asylanträge anerkannt.
Wir sind der Meinung, daß in Afghanistan eine undemokratische, rechtswidrige und menschenrechtsverletzende Regierung existiert und die pauschale Begründung der Gerichte, daß es in Afghanistan keine Regierung gibt, nicht der Wahrheit entspricht.
Alle demokratischen Kräfte, darunter auch die Mitglieder der Pashtoon Social Democratic Party (PSDP) haben gegen diese Regierung Stellung bezogen und ihren gerechten Kampf durchgeführt.
Wir werden Ihnen einen kurzen Überblick über unsere Partei wie folgt verschaffen:
Die Sozialdemokratische Partei der Paschtunen (Pashtoon Social Democratic Party = PSDP) wurde im Jahre 1981 gegründet.
Ihre Zentrale befindet sich innerhalb Afghanistans (Pashtoonkhwa).
Die Partei arbeitet unter sonderlich schwierigen Bedingungen in Afghanistan im Untergrund.
Die PSDP hat im Ausland überall dort, wo Paschtunen leben ihre Vertretungen.
Eine dieser Vertretungen befindet sich in Köln. Die PSDP hat seit ihrer Gründung einerseits gegen die Russen und deren vasaller Regierung, andererseits gegen die islamischen Fundamentalisten ihren gerechten Kampf geführt.
Unsere Partei war die erste afghanische Organisation in der BRD, die gegen den Einmarsch der Russen in Afghanistan demonstriert hat. Sie hat gegen die Abtretung eines Teiles unseres Landes (Wakhan/Badakhsan) an die Russen in der Zeit von Babrak Karmal Stellung bezogen.
In diesem Kampf haben viele Mitglieder und Sympathisanten unserer Partei ihr Leben verloren oder haben lange Zeit hinter Gittern im Gefängnis verbracht. Die PSDP (Pashtoon Social Democratic Party) ist, wie der Name schon sagt, eine demokratische Partei, die sich für eine pluralistische Demokratie einsetzt.
Sie bestrebt, frei und demokratisch gewählt zu werden.
Unsere Partei hat gegen alle Mächte und Gruppierungen, die durch diktatorische Methoden und durch Waffengewalt an die Macht gekommen sind, gekämpft.
Vor allem gegen die Linksextremisten und die islamischen Fundamentalisten.
Unsere Partei unterstützt die Menschenrechtserklärung der UNO, in der die Redefreiheit, die Religionsfreiheit und die politische Meinung garantiert wird.
Die PSDP in der BRD hat nach ihrer Gründung viele politische Aktivitäten (Pressekonferenzen, Flugblätter, Seminare mit Pashtoon Anjuman, Demonstrationen mit Afghan Milat, Demonstration vor dem UNO-Gebäude in Bonn Bad Godesberg u.a.) durchgeführt.
Auch wenn der Name der Partei den Begriff „Pashtoon" enthält, bedeutet dies nicht, daß wir zur Zusammenarbeit mit jedem Paschtunen bereit sind. Wie unter jeder Volksgruppe, gibt es unter den Paschtunen welche, deren politische Vorstellungen nicht den unseren entsprechen.
Wir bekämpfen diese Gruppierungen, mit allen uns politisch, zur Verfügung stehenden Mitteln. Ein Beispiel dafür sind die Fundamentalisten, die, wie unter anderen Volksgruppen auch, unter Paschtunen existieren.
Daß wir als Paschtunen, für die Sprache und Kultur der Paschtunen arbeiten, ist unser natürliches Recht.
Die Paschtunen können immer noch nicht als eine Volksgruppe über ihr Schicksal selbst entscheiden, daher ist es legitim, sich für deren Rechte einzusetzen.
Wir haben innerhalb und außerhalb Afghanistans, keine Feindschaft mit anderen Volksgruppen und sind der Meinung, daß ein Zusammenleben nur unter gegenseitiger Respektierung der Sprache, der Kultur und der Religion der anderen Volksgruppe möglich ist.
Unserer Meinung nach, sind die Paschtunen in einer sehr schwierigen Lage.
Die Paschtunen sind politisch, kulturell und sprachlich durch den Einfluß der iranischen Mullahs in Gefahr. Gleichzeitig haben die Paschtunen abseits der Durand-Line, keine Rechte bezüglich der Kultur und Sprache.
Die islamisch-fundamentalistischen Gruppierungen arbeiten nicht für ihre eigene Kultur, sondern versuchen, die afghanische und zivilisierte Kultur zu bekämpfen, um ihre eigenen Vorstellungen von Kultur zu realisieren und jeden anders handelnden und denkenden Menschen als Ungläubigen zu bezeichnen und zum Tode freizugeben.
Politisch wird Afghanistan diktatorisch von Mullahs regiert.
Für unsere Partei und andere patriotische Kräfte in Afghanistan spielt es keine Rolle, ob Hekmatyar, Rabani, Massoud oder die Taliban in Afghanistan regieren. Alle Gruppierungen können nicht die Interessen Afghanistans vertreten, da sie fundamentalistischer Herkunft sind, und versuchen, mit diktatorischen Mitteln, an die Macht zu kommen.
Durch diese terroristischen Gruppierungen sind nicht nur unsere Parteimitglieder in Gefahr, sondern alle patriotischen Kräfte und Persönlichkeiten. Die Ermordung von Dr. Bahaudin Majroh, Dr. Nasim Ludin, Olfat und die Ermordung der Familienmitglieder (Frau und zwei Kinder im Alter von 8 und 12 Jahren) von Dr. Saleh Mohammad Zerei, ehemaliges Mitglied des Politbüros der volksdemokratischen Partei u.a. sind einige Beispiele für die Terrormethoden dieser Gruppierungen. In letzter Zeit werden Mitglieder unserer Partei, die unter schwierigen Bedingungen das Territorium der BRD erreichen und Asylanträge stellen, unter verschiedenen Einwänden abgelehnt.
Zum Beispiel wird die Ablehnung so begründet: „Da Hekmatyar und Mohammedi auch Paschtunen sind, werden Sie von ihnen geschützt." Unsere Meinung dazu ist, daß in jeder Volksgruppe, Menschen und Gruppierungen mit unterschiedlichsten politischen Vorstellungen existieren, das paschtunischen Volk bildet da keine Ausnahme. Es ist wichtig, daß unsere politische Meinung, die auf der Demokratie, auf Menschenrechten und auf Freiheit basiert, im Mittelpunkt des Interesses steht, und nicht unsere Volkszugehörigkeit.
Als eine andere Begründung für das Ablehnen wird erwähnt, daß es in Afghanistan keine Regierung gibt und Bürgerkrieg herrscht.
Dabei wird vergessen, daß trotz der Schwäche der Zentralregierung, die Provinz-Schuras (Provinzräte), meistens die Vertreter der islamischen Gruppierungen sind.
Diese Provinz-Schuras haben alle Möglichkeiten, deren Gegner zu liquidieren, zu verhaften, zu berauben, zu vertreiben oder politisch zu verfolgen. Sie macht auch von diesen Möglichkeiten Gebrauch und politischer Terror gehört zur Tagesordnung.
Es ist verwunderlich, daß alle Institutionen der Bundesregierung und der Ministerien, die Regierung in Kabul und die Provinz-Schuras, als Machtinstitutionen akzeptieren und mit ihnen zusammenarbeiten. Gleichzeitig werden vom Bundesamt der Anerkennung der Flüchtlinge, Anträge abgelehnt und man spricht von Anarchie, Bürger- und Stammeskrieg.
Die Tatsache ist, daß die Provinz-Schuras, die Macht der Fundamentalisten in der Regierung reflektieren, dadurch können sie als Vertreter der Regierung angesehen werden.
Unserer Meinung nach, soll die jetzige Lage nicht als ein Vorwand benutzt werden, als gäbe es in Afghanistan keine politische Verfolgung.
Die Tatsache ist, daß Ermordungen, Verhaftungen und Ausraubungen mehr als je zugenommen haben. Verantwortlich dafür sind die Zentralregierung und die Provinz-Schuras, die die Vertretung der Zentralregierung und der islamischen Gruppierungen darstellen.
Sie sind in der Lage, ihre Gegner überall in Afghanistan zu verfolgen.
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